Mit größer werdender Flexibilität der Arbeitsbedingungen gewinnt die Thematik Minusstunden verstärkt an Relevanz.

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Gerade Arbeitszeitmodelle wie Gleitzeitarbeit sind bei Arbeitnehmern oftmals sehr beliebt, da sich berufliche Verpflichtungen und private Aktivitäten besonders gut in Einklang bringen lassen. An Arbeitgeber werden in diesem Kontext besondere Anforderungen gestellt.

Wir beleuchten u.a. wie Minusstunden entstehen oder wann Sie als Arbeitgeber Stunden von der Lohnzahlung abziehen dürfen. Mit konkreten anwaltlichen Tipps unterstützen wir Sie in Ihrer betrieblichen Praxis.




Das erwartet Sie:

1. Was ist unter Minusstunden zu verstehen und was muss der Arbeitgeber unbedingt beachten?

Erbringt Ihr Arbeitnehmer weniger Arbeitszeit als arbeitsvertraglich vereinbart und wäre gleichwohl in der Verfassung seine reguläre Arbeitsleistung abzuleisten, spricht man von Minusstunden.

Grundsätzlich gilt: Minusstunden entstehen dann, wenn der Arbeitnehmer diese selbst verschuldet hat.

Wir werden später nochmals darauf eingehen, aber beachten Sie unbedingt: Als Arbeitgeber tragen Sie grundsätzlich das Risiko, sollten Sie den Arbeitnehmer nicht entsprechend der vertraglich vereinbarten Zeit beschäftigen können.

Nennenswerte Beispiele für das Entstehen von Minusstunden, für welche das Risiko beim Arbeitnehmer liegt, wären unpünktliches Erscheinen am Arbeitsplatz, zu lange Pausen oder klassisch – vorzeitiges Arbeitsende.

Als Arbeitgeber müssen Sie unbedingt folgende Punkte bei der Erfassung von Arbeitszeiten umsetzen:

  • Gestalten Sie die arbeitsvertraglichen Regelungen so, dass jedweder Umgang mit Arbeitszeiten, also Auf- und Abbau von Arbeitszeiten sowie daraus resultierende Folgen klar geregelt sind.
  • Der Arbeitnehmer stimmt mit Vertragsunterzeichnung den festgelegten Regelungen zu. Arbeiten Sie mit tarifvertraglichen oder betrieblichen Regelungen, ist ein entsprechender Verweis notwendig.
  • Achten Sie unbedingt auf eine Festlegung, in welcher Höhe Minder- oder Mehrarbeit geleistet werden darf und legen Sie unbedingt Ausgleichsregelungen fest. Kommt Ihr Arbeitnehmer dem Ausgleich von selbst verschuldeten Minusstunden innerhalb des festgelegten Ausgleichszeitraumes nicht nach, können Sie nach Fristsetzung eine Lohnkürzung vornehmen.
  • Beachten Sie, dass Sie als Arbeitgeber gemäß dem Bundesarbeitsgericht zur Erfassung der geleisteten Arbeitszeiten auf digitalen oder analogen Weg verpflichtet sind. Kurzzeitarbeitszeitkonten wie Gleitzeitkonten bieten eine taggenaue Übersicht während Lebensarbeitszeitkonten dazu verwendet werden Zeit-Wertguthaben für bspw. längere Freistellungen oder vorzeitigem Ruhestand anzusammeln.

2. Achtung: Das sind keine Minusstunden!

In unserer anwaltlichen Beratung erfahren wir immer wieder Fälle, in welchen fälschlicherweise Minusstunden angerechnet werden. Hier klären wir auf, wann Minderarbeit NICHT anrechenbar ist:

Keine Anrechnung von Minusstunden bei Krankheit

Ist Ihr Arbeitnehmer unverschuldet erkrankt und kann diese Krankheit entsprechend den betrieblichen Regelungen mit ärztlichem Attest nachweisen, dürfen ihm keine Minusstunden angerechnet werden. Rechtsgrundlage ist das Entgeltfortzahlungsgesetz.

Der Zahlbetrag des Monatsgehaltes ändert sich durch Krankheit also nicht. Im Arbeitszeitkonto wird die vertraglich geregelte Sollarbeitszeit bzw. die im Dienstplan festgelegte Arbeitszeit pro Arbeitstag gutgeschrieben.

Minusstunden an Feiertagen

Auch hier regelt das Entgeltfortzahlungsgesetz die Vergütung. Es legt fest, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Entgelt zu zahlen hat, was er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte.

Früheres Arbeitsende bei Auszubildenden

Auszubildende befinden sich in einem besonderen Vertragsverhältnis. Der Arbeitgeber muss Auszubildenden die vereinbarte Arbeitszeit immer gewährleisten. Wird der Auszubildende also aufgrund Arbeitsmangels vorzeitig in den Feierabend entlassen, darf ihm keine Minderarbeit angerechnet werden. Es handelt sich stattdessen um bezahlte Freistunden

Vorsorgeuntersuchungen und Minusstunden

Nimmt Ihre schwangere Mitarbeiterin während der Arbeitszeit medizinisch notwendige Vorsorgeuntersuchungen wahr, darf ihr keine Minderzeit angerechnet werden.

Arbeitsfreie Zeiten bei Zeitarbeitern

Zeitarbeiter sind an den Einsatz beim Entleiher gebunden, um ihre Arbeitszeit ableisten zu können. In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass einsatzfreie Zeiten, also Zeiten ohne Auftrag, als Minuszeit verbucht werden. Das ist nicht rechtens und wurde in einer Vielzahl rechtlicher Auseinandersetzungen überwiegend bestätigt.  

Der Arbeitgeber trägt das Risiko der Nichtbeschäftigung. Sollte mangels Aufträgen kein Einsatz des Zeitarbeiters erfolgen können, ist trotzdem das vereinbarte Entgelt zu zahlen und die Arbeitszeit als geleistet zu verbuchen. Der Arbeitgeber kommt in Annahmeverzug der Arbeitsleistung. Anderslautende Vereinbarungen sind auch durch das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ausgeschlossen. 

Fehlende Beschäftigungsmöglichkeit seitens des Arbeitgebers

Können Sie Ihren Arbeitnehmern keine ausreichende Beschäftigungsmöglichkeit anbieten, um die vertraglich vereinbarten Arbeitsstunden leisten zu können, tragen Sie das volle Risiko. Wir erläutern diesen Fall im nächsten Punkt noch einmal konkreter.

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Wenn Sie keine Risiken im Umgang mit etwaigen Über- oder Minusstunden eingehen wollen, raten wir Ihnen zur Rücksprache mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Rufen Sie uns an unter 09431 998 00 50 oder schreiben Sie eine Nachricht an mieschala@rechtsanwalt-mieschala.de.

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3. Können Minusstunden arbeitgeberseitig angeordnet und vom Gehalt abgezogen werden?

Sie führen einen Saisonbetrieb oder haben gerade mit auftragsschwachen Zeiten zu kämpfen? Sollte Ihre Lösung darin liegen, Minusstunden anzuordnen, seien Sie bitte vorsichtig.

Das Recht, Minusstunden anzuordnen besitzen Sie, aber gem. § 615 BGB geraten Sie dadurch in Annahmeverzug. Das bedeutet, Ihr Mitarbeiter kann sich einerseits nicht gegen die angeordneten Minusstunden wehren, andererseits können Sie Ihrem Mitarbeiter aber auch kein Gehalt kürzen oder die spätere Einarbeitung der Stunden verlangen. Als Arbeitgeber müssen Sie dafür Sorge tragen, ausreichend Arbeit zu beschaffen.

Können Sie dies dauerhaft nicht, müssen Sie die vertraglich zugesicherte Stundenzahl anpassen. Um hier rechtssicher zu handeln, empfehlen wir Ihnen die Kontaktaufnahme zu meiner Kanzlei.

Beachten Sie folgende Besonderheit: Sofern Ihre Mitarbeiter während der nicht geleisteten Arbeitsstunden eine andere Beschäftigung aufnehmen, können Sie den dort erarbeiteten Verdienst vom Lohn abziehen.

4. Die Verrechnung von Minusstunden und Urlaub

Kurz und knapp: Eine Verrechnung von Minusstunden und Urlaub ist nicht möglich. Urlaub dient nicht nur der Erholung, sondern wird auch für einen in der Zukunft liegenden Zeitraum gewährt, also nicht rückwirkend. Daher kann er nicht zum Ausgleich von Minusstunden verwendet werden.

5. Umgang mit Minusstunden bei Kündigung

Die geleisteten Arbeitsstunden werden auf einem Arbeitszeitkonto erfasst und sind so innerhalb der vereinbarten Ausgleichszeiträume auszugleichen. Kündigt Ihr Mitarbeiter oder lösen Sie das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung auf, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, durch ihn verschuldete Minusstunden innerhalb der Kündigungsfrist auszugleichen.

Wurde das Entgelt bereits mittels Lohnvorschuss gezahlt oder liegen mit Austritt weiterhin Minusstunden vor, sind Sie als Arbeitgeber berechtigt, den Gegenwert vom Lohn einzubehalten bzw. zu viel gezahlte Summen zurückzufordern.

Aber beachten Sie unbedingt: In beiden Fällen müssen die Minusstunden durch den Arbeitnehmer verursacht worden sein. Sind die Minusstunden aus betrieblichen Gründen entstanden, tragen sie als Arbeitgeber das alleinige Risiko und können diese nicht verrechnen.

Hier noch einmal die Voraussetzungen für Lohnabzug bei Kündigung:

  • Es wurde ein Arbeitszeitkonto geführt.
  • Die Erfassung der Stunden wurde zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertraglich abgestimmt.
  • Es existieren Regelungen zum Umgang mit dem Arbeitszeitkonto, z.B. Festlegung von Ausgleichszeiträumen.
  • Die Minusstunden wurden durch den Arbeitnehmer verursacht.

Übrigens: Anhaltendes Überschreiten der vertraglich festgelegten Anzahl von Minusstunden kann einen Kündigungsgrund darstellen! (LAG Hamburg vom 2.11.2016)

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6. Rechtsberatung: Das spricht dafür

Die Handhabung eines Arbeitszeitkontos erscheint auf den ersten Blick überschaubar.

In der Praxis gibt es nicht nur unterschiedliche Fallstricke, sondern jedes Unternehmen hat zu beachtende individuelle Rahmenbedingungen.

Insbesondere dann, wenn Sie betrieblich veranlasst sind, Minusstunden anzuordnen, kann dies finanzielle Verluste zur Folge haben.

Um rechtssicher agieren zu können und keine Risiken im Umgang mit etwaigen Über- oder Minderstunden einzugehen, raten wir Ihnen zur Rücksprache mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht.

7. Fazit

  • Arbeitszeitkonten tragen der steigenden Flexibilität der Arbeitsbedingungen Rechnung.
  • Arbeitgeber müssen die rechtlichen Anforderungen kennen, insbesondere:
    • Minusstunden können nicht einfach angeordnet und vom Gehalt abgezogen werden.
    • Urlaub kann nicht zur Verrechnung von Minusstunden genutzt werden.
    • Minusstunden müssen innerhalb vereinbarter Ausgleichszeiträume  ausgeglichen werden.
  • Um bei Kündigung Lohnabzug für Minusstunden durchzusetzen, sind neben einem Arbeitszeitkonto, grundlegende Regelungen zum Umgang mit Plus- und Minusstunden sowie die Verursachung durch den Arbeitnehmer notwendig.
  • Anhaltendes Überschreiten von Minusstunden kann ein Kündigungsgrund sein.
  • Um individuelle Rahmenbedingungen und rechtliche Fallstricke zu berücksichtigen, ist eine Rechtsberatung bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht anzuraten.

8. FAQ’s

Wie können Arbeitgeber sicherstellen, dass Minusstunden ordnungsgemäß erfasst und dokumentiert werden?

Arbeitgeber können sicherstellen, dass Minusstunden ordnungsgemäß erfasst und dokumentiert werden, indem sie geeignete Zeiterfassungssysteme implementieren, klare Richtlinien zur Arbeitszeitführung festlegen und regelmäßige Überprüfungen der Arbeitszeitkonten durchführen. Dies gewährleistet eine genaue Erfassung und Dokumentation von Minusstunden für rechtliche und abrechnungstechnische Zwecke.

Können Minusstunden ohne Zustimmung des Arbeitnehmers angeordnet werden?

Grundsätzlich ja, aber das Anordnen von Minusstunden ohne Zustimmung des Arbeitnehmers kann rechtliche Probleme verursachen, da der Arbeitgeber dadurch in Annahmeverzug gemäß § 615 BGB geraten kann.

Ist es möglich, Minusstunden mit Urlaub zu verrechnen?

Nein, Minusstunden können nicht mit Urlaub verrechnet werden, da Urlaub für zukünftige Zeiträume gewährt wird und nicht rückwirkend angewendet werden kann.

Wer trägt das Risiko bei Zeiten ohne Einsatz bei Zeitarbeitern?

Der Arbeitgeber trägt das Risiko der Nichtbeschäftigung bei Zeiten ohne Einsatz. Selbst wenn keine Arbeit vorhanden ist, muss das vereinbarte Entgelt gezahlt und die Arbeitszeit als geleistet verbucht werden.

Was sind die Voraussetzungen für einen Lohnabzug bei Kündigung aufgrund von Minusstunden?

Ein Arbeitszeitkonto muss geführt werden, die Erfassung der Stunden muss vertraglich abgestimmt sein, es müssen Regelungen zum Umgang mit dem Arbeitszeitkonto vorhanden sein, und die Minusstunden müssen durch den Arbeitnehmer verursacht worden sein.

Kann anhaltendes Überschreiten der vertraglich festgelegten Anzahl von Minusstunden ein Kündigungsgrund sein?

Ja, anhaltendes Überschreiten der vertraglich festgelegten Anzahl von Minusstunden kann gemäß einer Entscheidung des LAG Hamburg vom 2.11.2016 einen Kündigungsgrund darstellen.

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