Wegen der Umsetzung einer EU-Richtlinie erfährt das Nachweisgesetz Änderungen in 2022. Zum 01.08.2022 treten wichtige Änderungen in Kraft, die auf der EU-Arbeitsbedingungenrichtlinie beruhen. Mit der Umsetzung dieser Richtlinie sollen vor allem bei neuen Arbeitsformen die Arbeitnehmer eine Möglichkeit erhalten, sich über die für sie geltenden Arbeitsbedingungen einfach und schriftlich informieren zu können.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Kurt Mieschala erklärt in diesem Beitrag, was es mit den Änderungen des Nachweisgesetzes auf sich hat und was das Nachweisgesetz überhaupt regeln soll.
Inhalte der Seite
- Was regelt das Nachweisgesetz das 1995 in Kraft getreten ist?
- Welche Rolle spielt das Nachweisgesetz?
- Welche Konsequenzen drohen bei Verstoß bisher?
- Welche Änderungen gelten ab 01.08.2022
- Wieviel Zeit hat der Arbeitgeber für den Nachweis?
- Welche Konsequenzen drohen bei Verstoß ab 01.08.2022?
- Für wen gelten die neuen Regelungen?
- Rechtsberatung Nachweisgesetz Änderungen 2022
1. Was regelt das Nachweisgesetz das 1995 in Kraft getreten ist?
Das Nachweisgesetz ist am 28.07.1995 in Kraft getreten. Hauptsächliche Regelung des Gesetzes ist die Verpflichtung des Arbeitgebers die wesentlichen Arbeitsbedingungen, die für das betreffende Arbeitsverhältnis gelten, dem Arbeitnehmer gegenüber nachzuweisen. Entweder dies geschieht bereits mit dem Arbeitsvertrag oder mit einem Arbeitsnachweis.
Nachzuweisen sind gegenüber dem Arbeitnehmer folgende Vertrags-/Arbeitsbedingungen:
- Name und Anschrift der Vertragsparteien
- Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses
- bei befristeten Arbeitsverhältnissen muss die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses genannt werden
- Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann
- eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit
- Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit
- vereinbarte Arbeitszeit
- Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs
- Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses
- ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind
Sollte es der Arbeitgeber unterlassen diese Arbeits- und Vertragsbedingungen nachzuweisen, bleibt das Arbeitsverhältnis grundsätzlich gültig. Der Arbeitgeber ist aber im Zweifel für sog. Verzugsschäden des Arbeitnehmers schadensersatzpflichtig.
Der Nachweis muss vom Arbeitgeber unterschrieben werden und schriftlich – nicht elektronisch! – dem Arbeitnehmer übergeben werden.
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2. Welche Rolle spielt das Nachweisgesetz?
Die geforderte Dokumentation der wesentlichen Arbeitsbedingungen geschah und geschieht zumeist über den Arbeitsvertrag. Dieser enthält zwar auch „unwesentliche“ Arbeits- und Vertragsbedingungen, aber dies ist für die Nachweispflicht nicht nachteilig. Die wesentlichen Arbeitsbedingungen in einem Arbeitsvertrag zu regeln ist somit von Vorteil, weil es die zweckmäßigste Art des geforderten Nachweises darstellt.
Notwendigkeit des Arbeitsnachweises neben oder statt Arbeitsvertrag
Wenn der Arbeitsvertrag allerdings nicht alle wesentlichen Arbeitsbedingungen enthielt, müssen Arbeitgeber auch schon vor der Änderung des Nachweisgesetzes einen zusätzlichen Arbeitsnachweis ausstellen.
Da Arbeitsverträge auch dann gültig sind, wenn sie mündlich geschlossen worden sind oder durch sog. konkludente Handlung zustande gekommen sind, ist in solchen Fällen nämlich kein Schriftstück vorhanden, was die wesentlichen Arbeitsbedingungen beinhalten kann. Gerade in solchen Fällen ist der geforderte Arbeitsnachweis für Arbeitnehmer existenziell um ihre Arbeitsbedingungen zu kennen und danach zu handeln.
3. Welche Konsequenzen drohen bei Verstoß bisher?
Neben einem möglichen Schadensersatz und der Möglichkeit des Arbeitnehmers seine Arbeitskraft zurückzubehalten, drohte dem Arbeitgeber bisher keine weiteren Konsequenzen. Eine Sanktion im Sinne eines Bußgeldes kannte das Nachweisgesetz nicht. Dies ändert sich aber ab dem 01.08.2022.
4. Welche Änderungen gelten ab 01.08.2022?
Mit der Änderung des Nachweisgesetzes zum 01.08.2022 wurden zusätzliche wesentliche Arbeitsbedingungen in den Katalog des § 2 Nachweisgesetz aufgenommen.
Ergänzung wesentliche Arbeitsbedingungen gem. § 2 Nachweisgesetz
- bei befristeten Arbeitsverhältnissen: Enddatum des Arbeitsverhältnisses
- falls vereinbart: die Möglichkeit, dass die Mitarbeitenden ihren jeweiligen Arbeitsort frei wählen können
- bei Vereinbarung einer Probezeit: Dauer der Probezeit
- Vergütung von Überstunden
- Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen
- Fälligkeit des Arbeitsentgelts und die Form, in der das Arbeitsentgelt ausgezahlt wird
- vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten
- falls Schichtarbeit vereinbart: das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für die Schichtänderungen
- falls vereinbart: Einzelheiten zur Arbeit auf Abruf
- etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung
- bei vereinbarter betrieblicher Altersversorgung: Name und Anschrift des Versorgungsträgers der betrieblichen Altersversorgung
- Kündigung des Arbeitsverhältnisses: das von Arbeitgeber und Mitarbeitenden einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage
- Neben dem Hinweis auf anwendbare Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen muss ab 01.08.2022 auch auf Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen – oder kurz die kirchlichen Arbeitsbedingungen – hingewiesen werden.
Wesentliche Arbeitsbedingungen bei Berufsausbildungsverträgen
Mit dem Nachweisgesetz zusammen wird auch § 11 Berufsbildungsgesetz – oder kurz BBiG – geändert. Dies regelt ähnlich wie § 2 Nachweisgesetz die wesentlichen Vertrags- und Arbeitsbedingungen in Berufsausbildungsverträgen. Bei Berufsausbildungsverträgen muss ab dem 01.08.2022 zusätzlich aufgenommen werden:
- Name und Anschrift der Ausbildenden
- Name und Anschrift der Auszubildenden, bei Minderjährigen auch der gesetzlichen Vertreter
- Ausbildungsstätte
- sofern sich die Vergütung aus mehreren Bestandteilen zusammensetzt: Zusammensetzung der Vergütung
- Regelungen zur Vergütung oder zum Ausgleich von Überstunden
Weitere Änderungen
Zusätzlich werden auch Nachweise bei Fällen der Entsendung, Unterrichtungspflichten bei einer Auslandstätigkeit mit einer länger von mehr als 4 Wochen sowie Informationspflichten bei Anwerbung von Arbeitnehmern aus dem Ausland für eine Tätigkeit in Deutschland verändert.
5. Wieviel Zeit hat der Arbeitgeber für den Nachweis?
Sollten die wesentlichen Arbeitsbedingungen nicht im Arbeitsvertrag bereits umfassend geregelt sein, so hat der Arbeitgeber für den zu führenden Nachweis unterschiedliche Fristen zu beachten.
Arbeitsverhältnisse ab dem 01.08.2022
Für Arbeitsverhältnisse, die entweder ab dem 01.08.2022 geschlossen wurden oder ab dem 01.08.2022 neu beginnen, hat der Arbeitgeber die folgenden drei Fristen zu beachten.
Am ersten Tag des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber den Namen und die Anschrift der Vertragspartner, das Arbeitsentgelt und die Arbeitszeit nachzuweisen.
Bis zum siebten Kalendertag nach dem Beginn des Arbeitsverhältnisses muss der Arbeitgeber u.a. den Beginn des Arbeitsverhältnisses, die Dauer des Erholungsurlaubs, den Arbeitsort und die zu leistenden Tätigkeiten nachweisen.
Die restlichen wesentlichen Arbeitsbedingungen hat der Arbeitgeber bis zum Ende des ersten Monats des Arbeitsverhältnisses vollständig nachzuweisen.
Arbeitsverhältnisse vor dem 01.08.2022
Wenn der Arbeitnehmer bei Arbeitsverhältnissen, die vor dem 01.08.2022 geschlossen wurden oder begonnen worden sind, einen Nachweis verlangt, hat der Arbeitgeber die folgenden zwei Fristen zu beachten.
Bis zum siebten Kalendertag nach der Aufforderung des Arbeitnehmers zum Nachweis, muss der Arbeitgeber z.B. den Namen und die Anschrift der Vertragspartner, das Arbeitsentgelt, die Arbeitszeit, den Beginn des Arbeitsverhältnisses, die Dauer des Urlaubs, den Arbeitsort und die zu leistenden Tätigkeiten nachweisen.
Alle restlichen wesentlichen Arbeitsbedingungen hat der Arbeitgeber einen Monat nach dem Erhalt der Aufforderung vollständig nachzuweisen.
6. Welche Konsequenzen drohen bei Verstoß ab 01.08.2022?
Verstößt der Arbeitgeber gegen den Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen, sieht das Nachweisgesetz ab dem 01.08.2022 auch Bußgelder vor. Bei einem Verstoß können Geldbußen bis zu 2.000 Euro verhängt werden.
Ein Verstoß ist gegeben, wenn der Arbeitgeber
- nicht rechtzeitig,
- nicht vollständig,
- nicht auf die richtige Weise,
- oder überhaupt nicht über den wesentlichen Arbeitsbedingungen den Nachweis erbringt.
7. Für wen gelten die neuen Regelungen?
Die Regelungen des Nachweisgesetzes in der neuen Fassung gelten für alle Arbeitsverträge, die ab dem 01.08.2022 geschlossen werden. Die Neuregelung gilt auch für Verträge, die zwar vor dem 01.08.2022 geschlossen worden sind, aber deren Beginn ab dem 01.08.2022 vereinbart ist.
Bei bestehenden Verträgen ist der Nachweis der neuen und zusätzlichen wesentlichen Arbeitsbedingungen nicht verpflichtend. Wenn der Arbeitnehmer allerdings einen Nachweis über die zusätzlichen Bedingungen fordert, muss der Arbeitgeber diesen Nachweis auch im bestehenden Arbeitsverhältnis in der vorgesehenen Frist erbringen.
8. Rechtsberatung Nachweisgesetz Änderungen 2022
Durch die Änderungen des Nachweisgesetzes und weiterer gesetzlicher Vorschriften mit Wirkungen zum 01.08.2022 müssen Arbeitgeber rasch tätig werden. Um die Änderungen, die hinsichtlich der wesentlichen Vertrags- und Arbeitsbedingungen auf Arbeitgeber zukommen, rechtskonform umzusetzen, sind z.B. tiefgreifende Änderungen der verwendeten Muster-Arbeitsverträge oder Muster-Nachweise nötig.
Es empfiehlt sich aus praktischen Gründen die wesentlichen Arbeitsbedingungen bereits im Arbeitsvertrag zu regeln. Dann laufen Arbeitgeber nicht Gefahr die Fristen zu versäumen oder den Nachweis überhaupt nicht zu erbringen. Durch die nun beschlossenen Sanktionen kann ein falscher oder nicht rechtzeitiger Nachweis ein teurer Spaß werden.
Lassen Sie stattdessen ihre Muster prüfen um die Änderungen des Nachweisgesetzes rechtskonform umsetzen zu können. Umfassender Handlungsbedarf besteht in jedem Fall!
Auf der sicheren Seite sind Sie, wenn Sie den Rat eines Fachanwalts für Arbeitsrecht einholen, der über die erforderlichen Rechtskenntnisse verfügt.
Kontaktieren Sie uns, damit wir ihre Arbeitsverträge rechtssicher neu aufsetzen.
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