Fristlose verhaltensbedingte Kündigung: Rechte, Risiken und Handlungstipps

Eine fristlose verhaltensbedingte Kündigung trifft Arbeitnehmer oft wie ein Schlag. Sie verlieren ihren Arbeitsplatz von einem Tag auf den anderen und unter Umständen gleichzeitig ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld und somit ihre Existenzgrundlage.
Umso spannender ist die Frage, wann eine fristlose verhaltensbedingte Kündigung überhaupt gerechtfertigt ist. Wir erläutern Ihnen die wichtigsten Punkte, informieren Sie über Ihre Möglichkeiten und darüber, wie ein Anwalt für Arbeitsrecht begleiten und unterstützen kann.
Fristlose verhaltensbedingte Kündigung
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1. Was unter einer fristlosen verhaltensbedingten Kündigung zu verstehen ist

Mit Unterzeichnung des Arbeitsvertrages verständigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf die Einhaltung grundlegender gegenseitiger Rechte und Pflichten im Rahmen der Zusammenarbeit.
Verstoßen Arbeitnehmer gegen die Haupt- und Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag, kann der Arbeitgeber das Vertragsverhältnis verhaltensbedingt kündigen.
Eine verhaltensbedingte Kündigung richtet sich also nicht gegen die Qualifikation des Arbeitnehmers – sondern gegen ein konkretes, steuerbares Fehlverhalten.
Beispiele:
  • wiederholtes unentschuldigtes Fehlen
  • Arbeitsverweigerung
  • Beleidigung von Kollegen oder Vorgesetzten
  • private Internetnutzung trotz Verbots
  • unerlaubte Nebentätigkeiten oder Konkurrenztätigkeit
  • Beleidigung
  • Verspätetes Anzeigen einer Erkrankung
  • Missachten von Arbeitsschutzmaßnahmen
  • Missachten betrieblicher Weisungen
  • Straftaten wie Diebstahl, Unterschlagung, Arbeitszeitbetrug

2. Voraussetzungen für eine fristlose verhaltensbedingte Kündigung

Um Arbeitnehmern verhaltensbedingt zu kündigen, müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:
  • Fehlverhalten des Arbeitnehmers und Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Haupt- und Nebenpflichten
  • Vorsatz und Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers
  • Verhältnismäßigkeit, d.h. der Einzelfall muss abgewogen werden und die Kündigung in Bezug auf das Fehlverhalten angemessen sein
  • Die formalen Voraussetzungen, wie Anhörung des Betriebsrates, Schriftformerfordernis müssen eingehalten werden
Eine verhaltensbedingte Kündigung, als Form der ordentlichen Kündigung, muss immer unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfristen erfolgen.
Achtung: Bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen kann der Arbeitgeber eine fristlose, verhaltensbedingte Kündigung aussprechen. Das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer endet in diesem Fall - ohne Beachtung der Kündigungsfrist - sofort mit Ausspruch der Kündigung.
Nach Bekanntwerden der für die Kündigung maßgebenden Gründe hat der Arbeitgeber zwei Wochen Zeit, eine fristlose Kündigung auszusprechen. Im Streitfall trägt der Arbeitgeber die Beweislast für die Gründe der fristlosen Kündigung, welche eine Weiterbeschäftigung nicht möglich machen.
Der Unterschied und die Folgen zwischen ordentlicher und fristloser verhaltensbedingter Kündigung noch einmal gegenübergestellt:

Ordentliche verhaltensbedingte Kündigung

  • erfolgt unter Einhaltung der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist
  • Arbeitnehmer verlieren ihre Anstellung, erhalten aber bis zum Ende der Kündigungsfrist weiterhin Gehalt
  • Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht meist ohne Sperrzeit

Fristlose verhaltensbedingte Kündigung

  • das Arbeitsverhältnis endet sofort, meist noch am selben Tag
  • keine Übergangs- oder Kündigungsfrist
  • Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht bei rechtskräftiger fristloser Kündigung meistens erst nach Ende der Sperrzeit, d.h. die Agentur für Arbeit verhängt regelmäßig eine Sperrzeit von bis zu 12 Wochen, wenn der Arbeitnehmer das pflichtwidrige Verhalten zu verantworten hat
Hinweis zur Sperrzeit: Arbeitnehmer können die Sperrzeit vermeiden oder verkürzen, wenn Sie die Kündigung arbeitsgerichtlich anfechten oder nachweisen, dass kein oder nur geringes Verschulden vorlag bzw. sie glaubhaft machen, dass ihr Verhalten nicht kündigungsrelevant war. Geben Sie als Arbeitnehmer bei der Arbeitsagentur daher keine voreiligen Erklärungen ab, sondern holen Sie sich rechtlichen Beistand eines Anwalts für Arbeitsrecht, bevor Sie Stellung nehmen.

3. Praxisbeispiele für fristlose verhaltensbedingte Kündigungen Gründe aus der Praxis

Eine fristlose Kündigung kann nur bei schwerwiegendem Fehlverhalten ausgesprochen werden. Die Arbeitsgerichte haben in den letzten Jahren eine Vielzahl von Fällen beurteilt. Hier zwei exemplarische Fallkonstellationen:
Im vorliegenden Fall bestätigte das Landesarbeitsgericht die fristlose, verhaltensbedingte Kündigung einer Pflegekraft, welche einen Heimbewohner gegen dessen Willen zur Körperpflege nötigte.
Anlass, eine verhaltensbedingte Kündigung gegenüber Arbeitnehmern auszusprechen, sind auch beleidigende Äußerungen. Sowohl Rufschädigung als auch herabsetzende Bewertungen können dafür Anlass geben. Im vorliegenden Fall verbreitete eine Arbeitnehmerin das Gerücht, ein Kollege sei wegen Vergewaltigung verurteilt worden.

4. Ist eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung möglich?

Grundsätzlich gilt: Vor jeder verhaltensbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber die Verhältnismäßigkeit prüfen.
Im Zweifelsfall muss dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gegeben werden, sein Fehlverhalten zu erkennen und zu korrigieren. Das heißt, vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung ist eine Abmahnung erforderlich. Der Arbeitnehmer erhält so eine letzte Möglichkeit, sein Verhalten zu korrigieren. Im Rahmen der Abmahnung werden ihm bei erneutem Fehlverhalten arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht.
Ausnahme: Wenn das Fehlverhalten so schwerwiegend ist, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung unzumutbar ist, kann auf eine Abmahnung verzichtet werden und der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer fristlos verhaltensbedingt kündigen.
Beispiele, für fristlose verhaltensbedingte Kündigungen, bei denen keine Abmahnung nötig ist, sind:
  • Tätlichkeit gegenüber Kollegen oder Kunden
  • schwerwiegender Vertrauensbruch (z. B. Spesenbetrug)
  • sexuelle Belästigung
  • Straftaten im Betrieb
Trotzdem ist die Frage, ob eine Abmahnung entbehrlich war, häufig Gegenstand arbeitsgerichtlicher Auseinandersetzungen. Ein Anwalt für Arbeitsrecht kann den individuellen Fall prüfen und beratend zur Seite stehen.

5. Was Arbeitnehmer nach Erhalt einer fristlosen verhaltensbedingten Kündigung tun sollten

Schritt 1

Viele Kündigungen sind aus formellen oder materiellen Gründen unwirksam – z. B. wegen fehlender Abmahnung, falscher Betriebsratsanhörung oder fehlerhafter Interessenabwägung. Wir raten Ihnen daher dringend, einen Anwalt für Arbeitsrecht zu kontaktieren und sich professionell beraten zu lassen.

Schritt 2

Ihr Rechtsbeistand wird mit Ihnen die Möglichkeiten einer Kündigungsschutzklage besprechen und gemeinsam mit Ihnen deren Sinnhaftigkeit abwägen. Sie haben nur drei Wochen Zeit, um gegen die Kündigung zu klagen. Versäumen Sie diese Frist, gilt die Kündigung als wirksam – selbst dann, wenn sie rechtlich angreifbar wäre.

Schritt 3

Melden Sie sich sofort arbeitslos und arbeitssuchend. Nur so sichern Sie Ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld.

6. Anspruch auf Abfindung

Grundsätzlich besteht bei einer verhaltensbedingten Kündigung – besonders fristlos – kein Abfindungsanspruch.
In der Praxis enden viele Kündigungsschutzverfahren jedoch mit einem Vergleich, in dem sich der Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung verpflichtet – um das Prozessrisiko zu vermeiden.
Voraussetzung ist, dass Sie sich gegen die Kündigung durch Einreichen einer Kündigungsschutzklage wehren. Inwieweit Sie Möglichkeiten haben, eine Abfindung - insbesondere bei einer fristlosen, verhaltensbedingten Kündigung - zu erstreiten, wird Ihr Anwalt für Arbeitsrecht im Beratungsgespräch mit Ihnen klären.

7. So kann ein Anwalt für Arbeitsrecht unterstützen

Grundsätzlich gilt: Bewahren Sie bei Erhalt einer fristlosen verhaltensbedingten Kündigung Ruhe und holen Sie rechtlichen Beistand ein.
Auch wenn die Situation belastend ist – Sie haben Rechte. Viele fristlose Kündigungen halten einer gerichtlichen Prüfung oft nicht stand. Holen Sie sich deshalb rechtzeitig einen juristischen Rat. So schützen Sie sich vor finanziellen Nachteilen, Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld – und sichern eventuell sogar eine Abfindung. Ihr Anwalt wird den vorliegenden Fall prüfen und Sie hinsichtlich Risiken und Möglichkeiten beraten.

8. Fazit

  • eine fristlose verhaltensbedingte Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis sofort und kann existenzielle Folgen haben
  • Grundlage ist ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Arbeitnehmers, das eine Weiterbeschäftigung unzumutbar macht
  • Beispiele für Kündigungsgründe: Diebstahl, Arbeitszeitbetrug, Beleidigung, Tätlichkeiten, grobe Pflichtverletzungen
  • Voraussetzungen: Pflichtverstoß, Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit), Verhältnismäßigkeit, formale Anforderungen (z. B. Betriebsratsanhörung)
  • Arbeitnehmer sollten sich rechtlichen Beistand suchen, ggf. Kündigungsschutzklage einreichen und sich unverzüglich arbeitslos melden
  • Anspruch auf Abfindung besteht nicht automatisch
  • ein Anwalt für Arbeitsrecht kann die Rechtmäßigkeit prüfen, über Klagemöglichkeiten aufklären und rechtlich begleiten

9. FAQ’s

Was ist eine fristlose, verhaltensbedingte Kündigung?
Eine Kündigung, bei der das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aufgrund schwerwiegenden Fehlverhaltens des Arbeitnehmers sofort beendet wird.
Wann ist eine fristlose Kündigung rechtlich zulässig?
Sie ist zulässig, wenn ein erheblicher Pflichtverstoß vorliegt, der eine Weiterbeschäftigung unzumutbar macht, und die Kündigung innerhalb von 2 Wochen nach Bekanntwerden des Fehlverhaltens ausgesprochen wird.
Muss vor einer fristlosen Kündigung immer eine Abmahnung erfolgen?
In der Regel ja – es sei denn, das Fehlverhalten ist so gravierend, dass eine Abmahnung nicht zumutbar oder offensichtlich sinnlos ist (z. B. Diebstahl, Gewalt, grober Vertrauensbruch).
Welche Folgen hat eine fristlose Kündigung für den Arbeitnehmer?
Das Arbeitsverhältnis endet sofort. In der Regel folgt eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld von bis zu 12 Wochen.
Kann man sich gegen eine fristlose Kündigung wehren?
Ja – durch eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht innerhalb von 3 Wochen nach Erhalt der Kündigung. Ein Anwalt prüft die Rechtmäßigkeit der Kündigung, berät zur Sperrzeit und Klageoptionen, verhandelt ggf. eine Abfindung und begleitet das Verfahren vor dem Arbeitsgericht.
Kurt Mieschala

Über den Autor

Kurt Mieschala ist seit dem Jahr 2000 als selbstständiger Rechtsanwalt in Schwandorf tätig. Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und verfügt über umfangreiche Erfahrung in der rechtlichen Beratung von Unternehmen und Privatpersonen.
Als zertifizierter Datenschutzauditor (DSA–TÜV) und Datenschutzbeauftragter (TÜV SÜD Akademie) berät er zudem umfassend zu datenschutzrechtlichen Fragestellungen. Unternehmen, Arbeitnehmer und Verantwortliche in der IT-Branche vertrauen auf seine rechtssichere und praxisorientierte Beratung, wenn es um Arbeitsrecht, Datenschutz oder IT-Recht geht.
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Rechtsanwalt Kurt Mieschala ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für IT Recht.
Rechtsanwalt Kurt Mieschala ist außerdem als Datenschutzbeauftragter tätig.
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